Retro Review
Coverscan
© Genki

Shutokou Battle R

Illegale Rennen mit modifizierten Sportwagen auf Japans nächtlichen Autobahnen waren Mitte der 90er-Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, was sich in zahlreichen Adaptionen in Film, Manga, Anime und auch Videospielen niederschlug. Mit Drift King Shutokou Battle '94: Keiichi Tsuchiya & Masaaki Bandoh für das Super Famicom legte Genki seinerzeit einen Pionierstein des Genres, der ein Jahr später mit Drift King Shutokou Battle 2 einen direkten Nachfolger auf der Konsole erhielt. Die beiden namensgebenden Rennexperten halfen sicher bei der Vermarktung der technisch und spielerisch eher unscheinbaren Spiele und sind darin zudem prominent platziert – als Hauptwidersacher respektive als Tuningwerkstatt-Besitzer. Diese Kooperation blieb für ein paar Jahre erhalten und gipfelte im Anfang 1997 erschienenen Shutokou Battle R, das jedoch das letzte Spiel der Reihe auf der Playstation blieb, ehe die Entwicklung weiterer Teile auf Segas Dreamcast sowie auf die Playstation 2 wechselte.

Während die zwischenzeitlich erschienenen und parallel von anderen Studios entwickelten Playstation-Serienteile Shutokou Battle Drift King (in Nordamerika und Europa 'Tokyo Highway Battle') und Shutokou Battle Gaiden sowie Shutokou Battle '97 für Saturn keinen allzu nachhaltigen Eindruck hinterließen, gelang es dem neu formierten Genki-Unterstudio 'Doda' mit Shutokou Battle R, qualitativ an die Spiele auf dem Super Famicom anzuschließen und deren Aufbau und Präsentation schließlich würdig in die dritte Dimension zu transportieren.

Man hat die Wahl zwischen sechs originalgetreu nachgebildeten und seinerzeit sehr aktuellen Modellen: Subaru Impreza WRX STi, Mitsubishi Lancer Evolution IV, Mazda RX-7 FD, Toyota Supra RZ, Nissan Skyline GT-R R33 sowie Honda NSX. Der 'Scenario'-Modus ist das Herzstück des Spiels – hier gilt es, in acht Rennen nacheinander gegen verschiedene Gegner nach drei Runden jeweils die Oberhand zu behalten. Gefahren wird auf vier verschiedenen Kursen, zwei davon in Tokyo, zwei in Osaka. Auch die Autobahn-Abschnitte wurden für damalige Verhältnisse sehr realistisch umgesetzt und zudem gelegentlich mit stimmigen Wettereffekten wie Abendrot oder Regen ausgeschmückt. Die Streckenverläufe sind zudem mit Brücken, Tunneldurchfahrten und zahlreichen Hochhäusern am Fahrbahnrand abwechslungsreich gestaltet.

Vor jedem Rennen empfiehlt es sich, Masaaki Bandohs Tuningwerkstatt zu besuchen. Die zunächst wichtigste Modifikation ist die Aufhebung des Geschwindigkeitslimits von 180 km/h, da ansonsten nicht einmal das erste Rennen gewonnen werden kann. Weitere Arbeiten machen die Rennwagen nicht nur schneller, sondern verbessern auch das zu Beginn etwas störrische Fahrverhalten spürbar – ein Markenzeichen der Serie. Manche Teile verschleißen auch und wollen nach ein paar Rennen erneuert werden, etwa Rennreifen. Selbst im Falle einer Niederlage erhält man nach jedem Rennen mehr als genügend Geld, um schnell weitere Modifikationen vornehmen zu können. Damit hängt der Spielfortschritt maßgeblich von der Fahrleistung ab und nicht der richtigen Einstellung des Wagens oder der passenden Strategie beim Kauf weiterer Teile. Es darf allerdings nicht vergessen werden, gekaufte Teile im Anschluss auch einzubauen. Ein realistischer und durchaus sinnvoller Zusatzschritt, der jedoch weitere Zeit in den ansonsten sauber gestalteten Menüs erfordert.

Auf den Straßenkursen befinden sich weitere Fahrzeuge, darunter Busse und Lkw, die durchaus Hindernisse im Rennverlauf darstellen. Kollisionen sollten tunlichst vermieden werden, da man dadurch ordentlich an Geschwindigkeit verliert. Neben einer normalen Bremse lässt sich per Halten einer Schultertaste in den Drift-Modus wechseln. In Kombination mit einer Richtungseingabe können so Kurven sehr eng genommen werden, ein zusätzliches Betätigen des Gaspedals lässt den Wagen sogar fast quer stehen, damit auch die engsten Streckenabschnitte ohne Berühren der Fahrbahnbegrenzung bewältigt werden können. Das Driftverhalten zu beherrschen erfordert insgesamt etwas Eingewöhnung, es lässt sich aber nach einiger Zeit einfacher handhaben als in vielen anderen Rennspielen. Ähnlich wie in Ridge Racer ist Driften eine stabile und zuverlässige Methode, um enge Kurven zu nehmen – jedoch auf Kosten der Geschwindigkeit. Daher sollte wohldosiert und nur wenn notwendig gedriftet werden. Bei der Gangschaltung besteht die Wahl zwischen maximal fünf Gängen mit Automatikgetriebe sowie bis zu sechs Gängen mit manueller Schaltung, wobei letzteres in der Spitze das Maximum an Höchstgeschwindigkeit ermöglicht.

Aus heutiger Sicht mag das Spiel einen geringen Umfang bieten. Gerade die wenigen Strecken fallen negativ auf, auch die Fahrzeugauswahl könnte größer sein. Man muss bei der Einordnung von Shutokou Battle R jedoch bedenken, dass es einige Monate vor dem ersten Gran Turismo und damit relativ früh im Lebenszyklus der Konsole erschien. Insofern ist vor allem die üppige Auswahl an Modifikationen bemerkenswert, die der später erschienenen Konkurrenz kaum nach steht. Vergleichbare Spiele für Playstation zum Zeitpunkt des Erscheinens waren Rage Racer, Touge Max oder Deadheat Road, die allesamt ähnlich schlank im Umfang sind und keine allzu ausladenden Karriere-Modi bieten. Immerhin lässt sich ein zusätzlicher Kurs auf einer Rennstrecke freischalten, außerdem Masaaki Bandohs modifizierter Skyline, Keiichi Tsuchiyas blauer NSX und ein geheimer Wagen, der trotz seines Alters die besten Fahreigenschaften im Spiel vorweist. Auch technisch haben wir es mit einem für damalige Verhältnisse sehr ordentlichen Titel zu tun, der mit flüssiger und detaillierter Grafik überzeugt und zudem das Linkkabel sowie Namcos NegCon unterstützt.

Es ist schade, dass Shutokou Battle R auf der Playstation ohne Nachfolger blieb, zumal das Konzept der Serie danach auf Dreamcast und Playstation 2 deutlich geändert wurde. Auch nach zweimaligem Durchspielen – um die wenigen Boni freizuschalten – bleibt noch Appetit auf mehr nächtliche Rennspielaction. Was da ist, ist sehr gut und gehörte zum Zeitpunkt des Erscheinens zum besten, was das Genre auf der Konsole zu bieten hatte. Technisch läuft das Spiel sauber und ist schön anzusehen. Das Fahrverhalten mag eingangs gewöhnungsbedürftig sein, lässt sich aber schnell gut beherrschen. Nicht zuletzt, weil viele der reichlich vorhandenen Modifikationen tatsächlich einen spürbar positiven Einfluss haben. Die Fahrzeugauswahl ist zwar begrenzt, lässt aber für Fans keine Wünsche offen. Auch die unterschiedlichen Lichtstimmungen sowie Regeneffekte bieten genügend Abwechslung über die kurze Spielzeit hinweg. Wer dem Szenario nächtlicher Autobahnrennen nicht abgeneigt ist, wird hier für ein paar Stunden bestens unterhalten.

Filipp Münst